Umgang mit Widerstand in der Pesso-Therapie
von Barbara Fischer-Bartelmann
In der gesamten theoretischen Literatur zur Pesso-Therapie spielt der Begriff “Widerstand” überraschenderweise buchstäblich keine Rolle. In der vollständigen Darstellung der Theorie von PBSP in den “Slides” kommt das Wort nur ein einziges Mal vor, und zwar im körperlichen Sinn als Widerstandskraft gegen schädigende äußere Reize im Zusammenhang mit dem Grundbedürfnis nach Schutz. Dies erscheint auf den ersten Blick verwunderlich, zumal viele andere vor allem psychoanalytische Konzepte wie zum Beispiel Übertragung und Gegenübertragung eine wichtige, ja zentrale Rolle in der Pesso-Arbeit spielen. Warum ist dies beim Widerstand nicht der Fall, und wie geht man in der Pesso-Therapie damit um?
Dass nämlich das Phänomen “Widerstand” auch in der Pesso-Therapie auftritt, steht außer Frage. Die Beobachtung von Sigmund Freud, dass sich Patienten der “Genesungsarbeit” anscheinend widersetzen, ja zu einer Wiederholung schädigender Konstellationen neigen, wird jeder therapeutisch Tätige, auch der Pesso-Therapeut, teilen. Nicht jeder Vorschlag der Therapeutin wird von der Klientin angenommen, es kommt kein emotionaler Prozess in Gang oder er “verschwindet” wieder, endet in einer Sackgasse oder lässt sich nicht zu einem guten Ende bringen. Dies ist auch einer der häufigsten Anlässe zum Aufsuchen einer Supervision.
Das analytische Konzept des Widerstandes als grundlegend vorhandene und der therapeutischen Arbeit antagonistische Kraft, gar als Ausdruck eines Wiederholungszwanges oder Todestriebes, steht jedoch im diametralen Gegensatz zu einer der Grundannahmen der Pesso-Therapie: dass nämlich die Seele immer dazu bestrebt ist, sich zu verwirklichen, zu heilen, und dass sie Gelegenheiten zur Erfüllung des “Wahren Selbst” unmittelbar erkennt und wahrnimmt. Das Vertrauen in diese Grunddynamik ist die Basis der therapeutischen Possibility Sphere (Möglichkeits-Sphäre). Andernfalls wäre es weder durchzuhalten noch zu rechtfertigen, dass die Pesso-Therapeutin den Schritten der Klientin folgt und darauf vertraut, dass dies grundsätzlich zu einer guten therapeutischen Lösung der einzelnen Struktur wie auch des gesamten therapeutischen Prozesses führen wird. Auch ein weiterer Grundsatz der Pesso-Therapie, nämlich der höchsten Energie zu folgen und sie zur Aktion und Interaktion zu führen, fußt auf derselben Grundannahme. In dieser Hinsicht unterscheidet sich PBSP deutlich von der Psychoanalyse.1
Dass dieses Vertrauen in die genetische Erinnerung und die Antriebskräfte der Seele aber nicht heißen kann, unkritisch jedem Impuls der Klientin zu folgen und jede zusätzliche Initiative seitens der Therapeutin zu unterlassen, ist eine Erkenntnis, die sich u.a. in den Zertifzierungskriterien Nr. 4 (“Folgt der Therapeut dem Klienten, ohne dabei die unverzichtbare Führung aufzugeben (...)?”), Nr. 6 (“Schenkt der Therapeut den Eingangsbedingungen der Struktur (Motivation, Kontrakt, Beziehung und Übertragung) ausreichend Aufmerksamkeit?”) und vor allem Nr. 15 (“Verhindert der Therapeut direkt oder indirekt negative Rekonstruktionen?”) niederschlägt. Es gibt eine ganze Reihe von theoretischen Überlegungen und praktischen Vorgehensweisen zum Umgehen mit einem auftretenden Widerstand. Auch das neue theoretische Konzept der Holes in Roles (Löcher im Beziehungsgefüge der Familie) fußt auf einem PBSP-spezifischen Verständnis von Widerstand und seiner Entstehung und bietet hierzu einen neuen methodischen Zugang mit einer innovativen Interventionsstrategie. All diese Aspekte werde ich aber erst im dritten Teil dieses Artikels besprechen.
Beim Handhaben von “Widerstand” in einer Struktur (oder bei deren Reflexion beim Betrachten eines Videobandes in der Selbst-Supervision oder Supervision) gilt es nämlich zunächst, eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten auszuschließen. Es gibt nämlich eine Vielzahl durchaus sehr guter Gründe, die es der Klientin schwerer machen oder sie sogar daran hindern können, bei ihrer “Genesungsarbeit” mit der Therapeutin zusammenzuarbeiten und in ihrem eigenen Prozess zu bleiben. Die im Begriff “Widerstand” implizite Attribution, die Ursache des beobachteten Phänomens liege im innerpsychischen Prozess der Klientin, muss also in Frage gestellt werden. Reale äußere Bedingungen wie nicht zuletzt die Interventionen der Therapeutin (oder deren Ausbleiben) können auf vielerlei Weise zu diesem Phänomen beigetragen haben. Solange nicht überprüft worden ist, ob einer dieser Gründe vorliegt, halte ich es daher nicht für legitim, den tatsächlich möglicherweise “iatrogenen” Widerstand als “neurotische” Abwehr zu betrachten und zum Gegenstand der therapeutischen Arbeit zu machen. Solange nämlich eine mögliche Bedrohung der Klientin besteht, erfordert es der Respekt vor dem Piloten, ihre Reaktion als möglicherweise zwar nicht bewusste, aber dennoch legitime Schutzstrategie zu betrachten und zuvörderst dafür zu sorgen, dass dieser Schutz nicht mehr notwendig ist. Auf diese Art des “Widerstandes des Piloten” gehe ich im ersten Teil dieses Artikels ein. Im zweiten Teil beschreibe ich den Einfluss, den die Interventionstechnik der Therapeutin darauf nehmen kann, den therapeutischen Prozess zu erleichtern und im Fluss zu halten, oder aber im Extremfall zum Erliegen zu bringen.
1.
Einen sicheren Rahmen für die Genesungsarbeit schaffen:
“Piloten-Widerstand”
Kontrakt und Motivation2
Ausgangspunkt jeglicher therapeutischer Intervention ist das therapeutische Arbeitsbündnis, d.h. ein Einverständnis zwischen Therapeutin und Klientin darüber, dass und auf welche Weise Therapie erfolgt. Dies ist zunächst einmal eine Frage der Motivation und des Kontraktes, und muss – falls ein Widerstand auf dieser Ebene liegt – auch auf dieser Ebene geklärt werden, im Gespräch über diese Fragen.
Bei “unerfahrenen” Klienten kann es sein, dass Scham und Zweifel vorhanden sind: “Ich bin doch nicht verrückt!”, “Was soll das bringen?”, “Wie soll denn das Theaterspielen etwas helfen?” Diese Art von Problem taucht vor allem in Einführungsveranstaltungen auf: TeilnehmerInnen haben eine Scheu, sich auf die Übungen einzulassen, oder führen sie rein technisch aus ohne eine emotionale Bedeutung oder Berührtsein zuzulassen.
Aber auch bei “erfahrenen” Klienten müssen wir immer damit rechnen, dass die gemachten Erfahrungen nicht immer gute waren. Unter Klienten wie Kollegen gibt es genügend, die mit sogenannten “Therapien” in Encounter-Gruppen oder bei Aufstellungen schlechte Erfahrungen gemacht haben. Leider gibt es Seminarleiter, die Teilnehmer in heftige Gefühle hineintreiben, ohne sie auffangen zu können. Teilnehmer haben am eigenen Leib erfahren oder miterlebt, dass jemand völlig aufgelöst war, von einem “abstinenten” Leiter nicht geschützt oder sogar in beinahe sadistischer Machtausübung der Gruppe “zum Abschuss” freigeben wurde. Leider gibt es gerade unter den Körpertherapeuten hier besondere Versuchungen und wirklich unrühmliche Beispiele – ich selbst habe einen weltberühmten Therapeuten auf einem großen Kongress auf der Bühne Körperinterventionen vorführen sehen, ohne dass er im geringsten auf die hierdurch bewirkten Emotionen eingegangen wäre oder die Arbeit für den Klienten zu irgend einem befriedigenden Abschluss gebracht hätte.
Schließlich gibt es auch bei “Pesso-erfahrenen” Klienten immer wieder Gefühlsqualitäten oder Themen, bei denen dem Protagonisten die Perspektive dafür fehlt, dass oder wie in dieser Methode mit diesem Bereich umgegangen werden kann. Häufig kommt es vor, dass in einer fortlaufenden Gruppe ein Mitglied sich als erstes mit einer bestimmten Thematik (Aggression, Missbrauch, Integration der männlich-weiblichen Polarität, sexuelle Themen) vorwagt und dann, ermutigt durch dieses Beispiel, eine ganze Anzahl “verwandter” Strukturen folgt, als ob diese schon längst auf Bearbeitungen gewartet hätten, aber der Mut dazu fehlte.
In allen genannten Fällen ist es daher unverzichtbar, die legitimen Fragen des Klienten ernst zu nehmen, offen zu besprechen und die nötigen Informationen zu geben. In der Pesso-Therapie wird grundsätzlich großer Wert darauf gelegt, die Klienten gründlich über Grundannahmen und Vorgehensweise zu informieren, auch mit Hilfe geeigneter Literatur wie z.B. dem Vortrag “Werden, wer wir wirklich sind” von Albert Pesso (Bulletin 10). Nur eine informierte Klientin kann in Kooperation mit der Therapeutin Entscheidungen treffen. Die Aktivität dieser autonomen entscheidungsfähigen Instanz in der Klientin, in PBSP “Pilot” genannt, ist nicht nur wünschenswert, sondern als Schutz vor Regression und als Garant der Integration der Antidot-Erfahrung unverzichtbar. Diese Instanz zu übergehen würde im Gegenteil sogar als negative Rekonstruktion verstanden, was vor allem bei einem Hintergrund von traumatischen Erfahrungen unbedingt vermieden werden sollte.
Idealerweise ist diese Informationsvermittlung auf einem Einführungsseminar möglich, wo die unserer Arbeitsweise zugrundeliegende Theorie in einem einführenden Vortrag erklärt werden kann. Einzelelemente der Arbeitsweise lassen sich sehr gut mit Hilfe der therapeutischen Übungen einführen, so dass die Klienten sich schrittweise auf wohlbegrenzte und überschaubare Erfahrungen einlassen können und allmählich Vertrauen in die Vorgehensweise fassen. Auch das Miterleben der Strukturarbeit anderer Gruppenmitglieder ist hierfür sehr hilfreich. Wenn man Zeuge davon wird, wie andere von der Arbeit offensichtlich profitieren, sinkt sowohl die Schwelle, sich auf einen eigenen Prozess einzulassen, als auch die Scham die aus dem Glauben heraus entsteht, der einzige mit derartigen Problemen oder Gefühlen zu sein.
Wissen und Kooperation
Bei einer neuen Pesso-Gruppe besteht immer wieder die Versuchung, dass wir bei den Klienten mehr an Kenntnissen voraussetzen, als dies realistisch ist. In der Ausbildung sehen wir schließlich als Modell meistenteils Strukturen mit KollegInnen, die die Methode kennen und wissen, welche Informationen für die Fortentwicklung der Struktur wichtig sind, und diese aus eigener Initiative ansprechen. Dies ist jedoch nicht unbedingt representativ für die alltägliche Arbeit mit “normalen Klienten”. Im Gegensatz zur Arbeit mit KollegInnen erfahren wir hier häufig die Assoziationen, die der Klientin selbst durchaus bewusst sind, nicht selbstverständlich von ihr, oder sie spricht erst beim Feedback nach der Struktur eine historische Erinnerung aus, die doch schon während der Struktur zur Konstruktion des Antidots wichtig gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht notwendig Widerstand, sondern sehr viel wahrscheinlicher einfach ein Mangel an Wissen. Es ist daher in der alltäglichen Arbeit mit normalen Klienten sehr viel häufiger notwendig, die einfachen Grundfragen zu stellen: “Was geht in dir vor?”, “Was spürst du in deinem Körper?”, “Woran denkst du?” oder auch ganz direkt: “Erinnert dich das an irgendetwas aus deiner Geschichte?” Eine genaue Beobachtung der Qualität des Blickes der Klientin kann sehr dabei helfen, die Gelegenheiten zu bemerken, wo die eine oder andere dieser Fragen gezielt den inneren Prozess der Klientin ansprechen kann.3. Nur auf diese Weise können die Klienten lernen, dass diese Eigenbeobachtungen wichtig sind, so dass sie zunehmend die Verantwortung übernehmen können, diese Informationen zu nutzen und von sich aus der Therapeutin mitzuteilen.
Auch im Verlauf einer einzelnen Struktur kann es sinnvoll sein, gemeinsam mit der Klientin innezuhalten, mögliche Optionen der weiteren Vorgehensweise zu klären und ihr Verständnis und Einverständnis einzuholen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Klientin ein Abschlussbild anstrebt, das eine negative Rekonstruktion beinhaltet, oder wenn die Therapeutin die Notwendigkeit einer Limitierung sieht, für die bei der Klientin noch keine Einsicht oder Motivation vorhanden ist. Auch in Bezug auf die zeitliche Begrenzung einer Struktur kann es sinnvoll sein, zu einem expliziten Einverständnis zu gelangen, welche Aspekte innerhalb dieses Rahmens zu einem guten Abschluss gebracht werden können, und welche einer späteren Strukturarbeit überlassen bleiben sollen. Besonders in der zweiten Hälfte der 90ger Jahre hat Albert Pesso diese Art der Intervention häufig angewandt, eingeleitet mit der Frage “May I talk a little bit theoretical?” (“Darf ich ein bisschen auf theoretischer Ebene darüber sprechen?”) Nach der Einordnung des jeweiligen Standes der Stuktur kann so ein erneuter Mikro-Kontrakt über die nächsten Schritte geschlossen werden.
Aber auch eine Erinnerung und erneute Bestätigung des grundsätzlichen Kontrakts ist manchmal angebracht: dass die Klientin die Verantwortung dafür hat, die Struktur im vorausgesetzten Zeitrahmen zu einem guten Ende zu bringen. Natürlich steht die Therapeutin ihr hierfür mit ihrer professionellen Fertigkeit und Kenntnis zur Seite, doch wird und soll sie nicht die Arbeit selbst übernehmen. “Wenn ich mehr arbeite als der Klient, dann stimmt was nicht”4, gibt Al Pesso als Richtlinie.
Möglichkeitssphäre der Therapeutin
Wer jemals in seiner Ausbildung die Gelegenheit hatte, die Therapeuten-Übung zur Possibility Sphere zu machen, wird sich vermutlich lebhaft daran erinnern, wie fein die Antennen des Klienten dafür sind, ob die Bearbeitung eines bestimmten Themas mit einem bestimmten Gegenüber möglich sein wird. Unbestritten ist ein variabler Anteil hiervon Übertragung. Dennoch bleibt auch eine beträchtliche Proportion realer Wahrnehmung dessen, was in der Arbeit mit dem jeweiligen Therapeuten machbar wäre. Dass jede und jeder von uns nicht nur bestimmte Stärken mitbringt, spezielle Themen und Altersstufen besonders sensibel wahrzunehmen, ist ein ebenso eindrückliches Resultat dieser Übung: Leider haben wir alle auch auf der anderen Seite mehr oder minder große “blinde Flecke”, so dass uns andere Bereiche größere Mühe bei der Wahrnehmung machen oder uns mit eigenen Ängsten, Bedürfnissen oder Widerständen konfrontieren. Bewusst oder unbewusst wird sich der Klient an dieser Stelle schützen bzw. selbst limitieren und die entsprechenden Themen nicht ansprechen oder, wenn sie auftauchen, nicht bereitwillig weiterverfolgen.
Diese Begrenzungen der Möglichkeitssphäre manifestieren sich durchaus auch in technischen Aspekten der therapeutischen Arbeit, die von der Klientin wahrgenommen werden und ihren Prozess beeinflussen. Die Bereitschaft zur Selbstkorrektur und zum Überprüfen (Checken) aller Interventionen an der nonverbalen Reaktion der Klientin kann im Widerspruch stehen zu narzißtischen Motiven der Therapeutin. Probleme mit dem Timing von Interventionen können durch das eigene Anspruchsniveau und eigenen Leistungsdruck bedingt sein. Die korrekte Identifizierung und Benennung der Affekte in den Zeugenbotschaften ist nicht nur eine Frage der Übung und des Vokabulars, sondern hängt auch davon ab, ob die Therapeutin sich in den entsprechenden emotionalen Zustand einfühlen kann, dieses Gefühl also zu ihrem eigenen bewusstseinsfähigen Empfindungsspektrum gehört. Eine unbearbeitete Entität der Therapeutin kann sich darin ausdrücken, dass sie die positive Übertragung zu lange auf ihre eigene Person gerichtet sein lässt und zu spät an positive Partialfiguren oder Antidotfiguren abgibt, und so die Historische Szene ein so großes Übergewicht bekommt, dass die Struktur zu einer negativen Rekonstruktion wird, gegen die sich Klienten verständlicherweise sperren, ebenso wie gegen die resultierende Abhängigkeit von der Person der Therapeutin.
Umgekehrt hängt die Glaubhaftigkeit der positiven Figuren unter anderem auch davon ab, ob die Therapeutin selbst in der Übertragungsbeziehung über die entsprechenden Qualitäten verfügt. Bei Limitierung z.B. muss sie die entsprechende Grundhaltung selbst in Stimme, Lautstärke, Körperhaltung, Gesichtsausdruck etc. ausdrücken können. Nicht nur ist sie hierin Modell für die Rollenspieler, sie muss auch in der Lage sein, bei diesen einen Widerspruch zwischen z.B. einer limitierenden Äußerung und einem sanften Ton zu erkennen und zu korrigieren. Darüber hinaus ist sie ein “realer” Garant dafür, dass diese Qualitäten auch im echten Leben und in echten Beziehungen existieren und dort wohlwollenden Charakter haben können. Kurz gesagt: In der Interventionstechnik drückt sich die Möglichkeitssphäre und darin die Persönlichkeit der Therapeutin aus, und die Klientin nimmt dies bewusst und/oder unbewusst wahr und wird ihren eigenen Prozess entsprechend steuern oder einschränken, was wie Widerstand aussehen kann.
Das eigene Spektrum und die eigene Möglichkeitssphäre zu erweitern, ist daher eine fortlaufende Aufgabe für uns Therapeuten. Eigene Strukturarbeit hat deshalb einen bedeutenden Platz in der Ausbildung: Nicht nur, um die erlernte Therapiemethode am eigenen Leib erfahren zu haben, nicht nur als Demonstration und Erweiterung des Repertoires für alle Ausbildungsteilnehmer, sondern als Verfeinerung unseres wesentlichen Instruments: der eigenen Persönlichkeit. Glücklicherweise brauchen wir diese Aufgabe nicht allein unserer wachsenden therapeutischen und Lebenserfahrung überlassen, sondern können die in unser therapeutischen Arbeit auftauchenden persönlichen Themen wiederum zum Gegenstand einer eigenen Struktur machen, unter Leitung einer Kollegin in der Intervisionsgruppe oder auf einem Strukturworkshop. Persönliche Weiterentwicklung und Erweiterung der professionellen Fertigkeiten können auf diese Weise im Idealfall Hand in Hand gehen und sich gegenseitig befruchten.
Eine interessante Frage ist hierbei, ob SupervisorIn und SelbsterfahrungsleiterIn ein und dieselbe Person sein sollten. Ein unbestreitbarer Vorteil hiervon ist, dass es der Fortentwicklung der Supervisandin nützlich sein kann, nicht nur auf der technischen Ebene gezielte Begleitung zu erfahren, speziell wenn die bei der Supervision deutlich werdenden Themen eigentlich persönlicher Natur sind. Andererseits kann es umgekehrt der Offenheit und Möglichkeitssphäre der Strukturleiterin abträglich sein, wenn mehr oder minder ausgesprochen mit der Strukturarbeit ein bestimmter professioneller Entwicklungsschritt bewirkt werden soll. Ein echter Zielkonflikt kann entstehen, wenn der Strukturleiter gleichzeitig die Funktion eines Prüfers hat bzw. zu einem späteren Zeitpunkt haben wird. Glücklicherweise ermöglicht die wachsende Anzahl von zertifizierten TherapeutInnen und SupervisorInnen ein gezielteres Umgehen mit diesen Fragen und erlaubt es gegebenenfalls, die Funktionen Ausbildung – Selbsterfahrungsleitung– Supervision – Prüfung nötigenfalls auf verschiedene Personen zu verteilen.
Möglichkeitssphäre der Gruppe
Al Pesso hat zwar den Begriff “Möglichkeitssphäre” für den Therapeuten geprägt, ich denke aber, dass er für eine Gruppe ebenso anwendbar ist. Die allermeisten Klienten prüfen nicht nur, wass der Therapeutin möglich sein, womit sie gut umgehen können wird, sie fragen sich auch, wie die anderen Gruppenmitglieder auf ihren Prozess reagieren werden. Ängste, Unsicherheiten oder gar schlechte Erfahrungen in dieser Hinsicht werden sich als Widerstand in der Arbeit zeigen.
Dieser Bereich berührt verschiedenen Fragen, mit denen die Gruppenleitung umgehen muss, zum Teil auf Kontrakt-Ebene: Hat die Gruppe eine Erklärung zu ihrer Schweigepflicht erhalten? Gibt es einen Vereinbarung über private Beziehungen außerhalb der Gruppe? Wie wird geregelt, wer wann einen Strukturplatz bekommt, so dass dies nicht zu einem Thema von Gruppendynamik und Konkurrenz wird? Wie wird die Dauer der Strukturen und eine allfällige Zeitüberschreitung gehandhabt in Abwägung von Flexibilität und verlässlichen Grenzen?
Darüber hinaus gibt es aber viele Aspekte, die jenseits dieser Regeln zur Atmosphäre in der Gruppe beitragen. In den allermeisten Fällen führt allein schon die positive Erfahrung aus den Strukturen und die positive Gegenübertragung der Rollenspieler (besonders derer in den Antidot-Rollen) auch zu einer wohlwollenden und wertschätzenden Grundhaltung in der Gruppe. In aller Regel besteht die größere Gefahr tatsächlich eher in einer zu großen gegenseitigen Idealisierung, der die reale Verfügbarkeit und Empathiefähigkeit möglicherweise nicht entsprechen kann. Dennoch ist es wichtig, dass die Therapeuten die Gruppenatmosphäre gezielt gestalten und bestimmten möglichen Reibungspunkten vorbeugen.
Wichtig für eine angstfreie und sichere Gruppenatmosphäre ist besonders die Handhabung der Phasen nach der Struktur: des Sharing und des informellen Rahmens. Manchmal kann es für die Therapeuten eine Gratwanderung sein, im Sharing einerseits den Protagonisten nach seiner Struktur vor Bewertungen, direktem Feedback oder (meist fürsorglich gemeinten) Ratschlägen anderer Gruppenmitglieder zu schützen, diesen aber andererseits genügend Gelegenheit zu geben, sich mit ihrer eigenen Betroffenheit zu äußern, und aus der Welt der Struktur wieder auf die Ebene der realen Gruppe zurückzukehren. Häufig ist der Protagonist noch ganz mit seinen Eindrücken beschäftigt und am Sharing der anderen ohnehin nicht besonders interessiert. Manchmal (und meist in sehr konstruktiver Weise und in Verdopplung der Strukturerfahrung auf der realen Ebene) ist aber das Sharing für die Protagonistin wichtig, um zu erfahren, wie ihre Arbeit auf die anderen gewirkt hat. Nicht nur im Kontakt mit den Rollenspielern sondern auch in der Realität der Gruppe hat sie möglicherweise das Bedürfnis, sich mit ihren neu entdeckten oder integrierten Seiten zu orientieren und zu vergewissern, dass sie damit nicht als hässlich, ansprüchlich, überempfindlich etc. eingeschätzt wird. Andererseits muss es für die Gruppenmitglieder trotzdem möglich sein, gegebenenfalls Neid, Unverständnis oder auch Erschrecken zu äußern – ohne dass dies wiederum die Antidoterfahrung in der Struktur entwertet oder konterkariert. Je mehr der Grundsatz zur “Gruppenkultur” wird, dass Empfindungen nicht richtig oder falsch sind, sondern subjektive Wirklichkeiten, die Wurzeln in der je eigenen Lebensgeschichte haben (die gelegentlich zu reflektieren und korrigieren ist), desto leichter wird diese Gratwanderung gelingen.
Für den informellen Rahmen gilt zum Schutz sowohl der Rollenspieler als auch des Protagonisten die Regel, dass nach der Entrollung die Rollenspieler weder von sich aus in die Rolle zurückkehren, noch vom Protagonisten in dieser Funktion angesprochen werden. Dies gilt auch für halb scherzhaft oder liebevoll gemeinte Gesten: “Na, mein Kind...”. Auf diese Weise bleiben die Ebenen der Struktur und der realen Beziehungen in der Gruppe sauber getrennt und niemand muss damit rechnen, nach der Struktur wider seinen Willen auf einer anderen Ebene angesprochen zu werden. Gerade die Tiefe der Erfahrung auf der manchmal sehr frühen Zeitebene der Struktur macht es bedeutsam, dass nicht nur während der Struktur die “erwachsene” Instanz des Piloten in Kooperation mit der Therapeutin aktiv bleibt, dass es sich also nicht um eine Regression der gesamten Person handelt. Die Protagonistin muss sich auch dessen sicher sein können, dass dieser Kontakt mit frühen entwicklungsgeschichtlichen Ebenen dem keinen Abbruch tut, dass sie nach Ende der Struktur wie zuvor als erwachsenes und ebenbürtiges Gruppenmitglied behandelt und respektiert wird. Außerdem besteht die Gefahr, dass das Zitieren von Sätzen, Metaphern oder Gesten aus der Struktur in einem anderen Rahmen in ähnlicher Weise die Ebenen vermischt oder dass diese Elemente außerhalb dieses Kontextes komisch oder lächerlich wirken und damit die Strukturarbeit möglicherweise nachträglich entwertet wird. Daher ist es bedeutsam, den besonderen rituellen Charakter der Strukturarbeit zu schützen, um möglichen Widerständen gegen die “Blößen”, die die Protagonistin sich darin gibt, vorzubeugen.
Noch viel brisanter wird diese Frage natürlich in dem Fall, wo zwischen den Mitgliedern einer Strukturgruppe reale Beziehungen bestehen. In der Ausbildung nehmen oft Praxiskollegen gleichzeitig teil, oder es treffen sich Supervisor und Supervisand, Ausbilder und Ausgebildeter, Vorgesetzter und Mitarbeiter, Therapeut und Ex-Klient bzw. dessen Partner, Eltern etc. . Nicht immer ist es sinnvoll, dass die beiden Betreffenden gleichzeitig an einem Strukturworkshop teilnehmen, dies muss und kann aber von Fall zu Fall besprochen werden. Besondere Rücksichten kann es außerdem erfordern, wenn Partnerin und Partner gleichzeitig an einer Strukturgruppe teilnehmen bzw. es sich um eine Paargruppe handelt. Wenn sich die beiden gerade in einer akuten Beziehungskrise befinden, kann es sein, dass sich die Protagonistin gehemmt fühlt, sich vor dem Partner zu zeigen, oder dass die Erwägung, wie bestimmte Äußerungen wohl auf ihn wirken, die Oberhand über den inneren Prozess gewinnt, eine Strukturarbeit also in dieser Situation nicht gut möglich ist und ein anderer äußerer Rahmen gefunden werden muss.
Unabhängig von all diesen Gesichtspunkten können Gruppenleiter zwar durch einen guten Leitungsstil dafür sorgen, dass keine unnötige störende Gruppendynamik stimuliert wird, ausschließen können sie diese aber niemals. Allein schon durch die Besetzung bestimmter Rollen mit bestimmten TeilnehmerInnen und den sich dabei oft herauskristallisierenden stereotypen Besetzungen (manche Mitglieder werden häufig als Ideale Eltern gewählt, andere selten wenn überhaupt mit einer Rolle betraut) und natürlich durch gegenseitige Übertragungen ist ein gewisses Maß unvermeidlich. Daher empfiehlt Lowijs Perquin, in einer fortlaufenden Gruppe regelmäßig (etwa nach jedem Strukturzyklus) die Gelegenheit zu geben, mögliche Störungen anzusprechen und wenn möglich auszuräumen.5
Umgang mit den Akkomodatoren
Besonders wichtig für die Sicherheit in der Gruppe ist außerdem die Handhabung des Rollenspiels. Da die Bereitschaft und Fähigkeit der Akkomodatoren, ihre Aufgabe auszufüllen, von wesentlicher Bedeutung ist für den ungestörten Fortgang des therapeutischen Prozesses der Protatonistin, lohnt es sich, dem Umgang der Therapeutin mit den übrigen Gruppenmitgliedern das nötige Augenmerk zu widmen.
Neben der theoretischen Einführung in die Bedeutung von Akkomodation und deren Ausführung (nicht improvisieren, auf Anweisungen warten, man braucht – besonders bei negativen Rollen – nicht mitempfinden, was man ausführt) ist der tatsächliche Umgang mit Rollenübernahme und -ausführung bedeutsam. Die genaue Ausführung der Formel für die Rollenübernahme und Ent-Rollung ist immer hilfreich: “Ich spiele jetzt ...” erinnert daran, dass man nicht zu dieser Figur wird. “Ich spiele nicht länger ..., ich bin <Name>” (statt “... bin wieder <Name>”) verdeutlicht, dass die Rollenspieler immer die eigene Person bleiben, die nur im Dienste der Protagonistin die Rolle ausführt. Dieser Schutz vor Identifikation mit der Rolle ist sowohl während der Struktur wichtig, um emotionaler Überforderung oder gar persönlichem Getroffensein in einer negativen Rolle vorzubeugen, als auch umfassender für die Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern: Die Wahl einer Person für eine bestimmte Rolle ist keine Form der Gruppendynamik oder der Rückmeldung an die Gewählten über ihre Eigenschaften. Insbesondere ist die Bitte um Übernahme einer negative Rolle weder ein Ausdruck der Abneigung noch ein Mittel, unter dem Deckmantel der Struktur negative Gefühle dem Rollenträger gegenüber auszudrücken.
Wenn die Protagonistin jemanden um Übernahme eine Rolle bittet, hat dieser immer das Recht, diese Rolle abzulehnen. Wer gerade selbst eine Struktur gemacht hat und insofern meist noch mit deren Verarbeitung beschäftigt ist, wird in der Regel als Rollenträger ohnehin nicht gebeten. Auch bei einer zu großen Ähnlichkeit der Rolle mit bestimmten realen Lebensthemen ist es sinnvoll, von der Besetzung einer bestimmten Rolle mit der betreffenden Person abzusehen. Die Möglichkeit der Ablehnung einer Rolle gibt der Protagonistin umgekehrt die Sicherheit, jeden um die Rollenübernahme bitten zu können, ohne sich im Vorhinein darüber Gedanken machen zu müssen, ob der oder die andere hierdurch übermäßig belastet würde. Manchmal ist aber (bei Rollen, die scheinbar niemandem zuzumuten sind) eine Vergewisserung auf der realen Ebene sinnvoll, und in Ausnahmefällen sogar die Wahl durch jemand anderen oder die Frage, wer sich von sich aus zur Verfügung stellen würde.
Die Begleitung der Rollenspieler durch den Therapeuten ist wichtig, um die Tatsache zu unterstreichen, dass sich niemand in einer Rolle verausgaben oder gar eine Verletzung riskieren soll, sondern die Verantwortung behält, immer gut für sich zu sorgen. Selbstverständlich muss die Therapeutin darauf achten, dass die Rollenspieler ihre Aufgabe in einer Art und Weise ausführen können, die zu keiner körperlichen Überbeanspruchung führt, und hierfür falls notwendig Erweiterungsfiguren nutzen. Eine (oft mit Blickkontakt oder nonverbal mögliche) Vergewisserung der Therapeutin bei den Rollenspielern, ob sie gut stehen oder sitzen, ob sie Unterstützung oder Erweiterungsfiguren benötigen, unterstreicht diese Fürsorge und gibt den Akkomodatoren den Eindruck, auch in den Rollen als Person gesehen und berücksichtigt zu werden. Die reale Ebene “ich als reale Person brauche eine Erweiterungsfigur” kann ohne weiteres unabhängig neben der Strukturebene “wenn ich deine Mutter gewesen wäre, wärest du mir nie zu viel gewesen” bestehen. Dasselbe gilt für detaillierte Anweisungen der Klientin oder Therapeutin an die Rollenspieler, die diesen Sicherheit geben, ohne dem aus der Rolle gesprochenen Satz“ich hätte gewusst, was du brauchst” zu widersprechen. Wichtig ist aber, dass sich die Rollenspieler von solchen Hinweisen zur Ausführung von Akkomodation oder Limitierung nach Möglichkeit unterstützt und nicht kritisiert fühlen sollten. Auch ein Dank des Therapeuten an die Rollenspieler nach ihrer Entrollung unterstreicht einmal mehr die Wichtigkeit dieser Funktion und die Wertschätzung für ihre Ausführung.
Auf der anderen Seite ermöglichen es diese Vorkehrungungen auch der Protagonistin, in Kontakt mit ihrem inneren Prozess zu bleiben und sich nicht vorrangig Gedanken um die Rollenspieler zu machen. Gerade auf dem Hintergrund einer Entität kann es für sie ohnehin schwierig sein, sich auf die eigenen Bedürfnisse statt auf die der anderen zu konzentrieren. Spürt sie die Anstrengung der Akkomodatoren, so kann dies deren Glaubhaftigkeit beeinträchtigen und zur einer Hemmung führen, eine genau passende Akkomodation zu erbitten, was wiederum einen überzeugenden Abschluss der Struktur erschwert. Unbedingt zu vermeiden ist auch im Interesse der Protagonistin, dass einer limitierenden oder haltenden Figur Schmerz zugefügt wird – dies würde die Wirkung der Struktur in ihr Gegenteil verkehren.
Ein reales Hemmnis des Prozesses kann außerdem in der Frage liegen, ob überhaupt genügend Akkomodatoren zur Verfügung stehen. In kleinen Gruppen oder erst recht in der Einzeltherapie kann es sein, dass die Protagonistin zu Recht zu der Einschätzung kommt, dass das volle Ausmaß an Energie (Trauer, Wut, Verzweiflung...) nicht ausreichend gehalten werden könnte, würde sie es denn zulassen. Die Intervention “Spanne alle Muskeln um die Empfindung herum an und schau, welche Bewegung resultieren würde (bzw. mach einen Ton)” scheint aus diesem Grund in der Einzeltherapie nicht besonders gut zu funktionieren; anstelle der mangels Akkomodatoren nicht genügend bereitzustellenden Limitierung (Containments) tritt dann wieder die gewohnte Selbstlimitierung. Unabhängig von der Zahl der Akkomodatoren und deren geschickter Verteilung spielt aber auch hier die Sicherheit der Rollenspieler in ihrer Aufgabe und damit eine gründliche Vorbereitung der Gruppe in einführenden Übungen eine wichtige Rolle.
2.
Der Genesungsarbeit nicht in die Quere kommen:
Vermeidung von
“Reibungs-Widerstand”
Wenn nun also sichergestellt wurde, dass für die therapeutische Arbeit ein sicherer Rahmen hergestellt ist und der Pilot der Klientin sein “Ja” zur Genesungsarbeit geben kann, stellt sich als nächstes die Frage, wie gut es der Therapeutin gelingt, sich mit Ihren Interventionen auf die Seite der inneren Genesungsimpulse, also der Seele zu stellen. In demselben Ausmaß wird der Prozess gefördert und die therapeutische Allianz gestärkt. Verliert sie diesen Kontakt oder arbeitet sie diesen Impulsen und der “genetischen Erinnerung” sogar unwissentlich entgegen, so wird der Prozess verlangsamt, verliert durch die Reibungsverluste an Energie, und kommt im Extremfall ganz zum Erliegen.
Checken
Grundsätzlich gilt für jede einzelne Intervention, dass die Therapeutin sie an der Reaktion der Klientin überprüfen sollte. Hiermit ist vor allem die unmittelbare nonverbale Reaktion von Erkennen und Zustimmung gemeint, die unwillkürlich im Gesicht auftritt, wenn eine Intervention akkurat ist. Diese Reaktion ist gleichzeitig Ausdruck einer bestärkten therapeutischen Arbeitsbeziehung und in aller Regel einer Intensivierung der vorhandenen Gefühle, und belegt, dass der therapeutische Prozess im Fluss ist. Ihr Auftreten ist also für die Therapeutin ein essentieller Indikator und dient gleichzeitig als Prüfstein zur Vorbeugung von Stagnation und Widerstand zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Nicht verwechselt werden darf diese unwillkürliche Reaktion mit einer bloßen Zustimmung aus Compliance, die sich im nonverbalen Ausdruck (kein überzeugendes Zeichen der Bejahung) und vor allem im Timing (erfolgt erst nach einem Innehalten des Nachdenkens und Überprüfens) deutlich davon abhebt. Auf eine solche Zustimmung gibt eine Pesso-Therapeutin nichts; ohne dies weiter zu kommentieren wird sie sie eher als ein Anzeichen werten, dass sie ihre Intervention korrigieren muss, und hierfür nötigenfalls auch die Klientin um Mithilfe bitten: “Wie würden Sie dieses Gefühl nennen?” Auch die innere Bedeutung, die ein Satz oder eine Geste eines Rollenspielers oder eine körperliche Interaktion für die Klientin hat, wird immer von ihr erfragt und niemals als bekannt vorausgesetzt.
Dieses Checken erfüllt mehrere Funktionen: Es schützt die Therapeutin vor Überengagement und Überverantwortung, auch vor der Phantasie, besser als die Klientin zu wissen, was mit dieser los ist (ein wesentlicher Unterschied zu Familienaufstellungen nach Hellinger!). Es sorgt dafür, dass der Pilot der Klientin aktiv bleibt, hält sie in der Verantwortung für ihren eigenen Prozess, und schützt vor (möglicherweise maligner) Regression. Diese Eigenaktivität erleichtert der Klientin zudem die nachträgliche Erinnerung an die einzelnen Schritte der Struktur, das Verständnis für den Zusammenhang zwischen Realer, Historischer und Antidotszene und dient auf dieser Weise der Verfestigung der Antidoterfahrung und der Integration bzw. dem Transfer in den Alltag. Vor allem aber sorgt das Checken für die permanente Synchronisierung der Vorstellung, die sich die Therapeutin von der Welt der Klientin macht, und vor allem der äußeren Bühne der Struktur6 mit dem inneren Bild (Bildschirm) der Klientin. Nur so hat die Pesso-Arbeit die nötige Präzision, die Al Pesso mit der von Gehirnchirurgen vergleicht: Nur wenn wir ein genaues Abbild der assoziativen Verbindungen und Aktivierungen der Klientin schaffen, können wir davon ausgehen, dass das Antidotbild eine präzise Passform7 zu ihren Bedürfnissen darstellt und in Zukunft gemeinsam mit den ursprünglichen neuronalen Netzwerken aktiviert werden wird.
Microtracking und Wahre Szene
Besondere Bedeutung für das Ziel, den emotionalen Prozess im Fluss zu halten, hat das Microtracking, insbesondere die Zeugenbotschaften. In der Sprache der Pesso-Therapie wirkt die Zeugenbotschaft wie ein “Ego-Wrapping”, ein Umhüllen der von Moment zu Moment auftauchenden Gefühlsqualitäten mit “Ich”. Es macht sie bewusst (und ist damit ein Modell für den Piloten, diese “Bildschirme” seinerseits zu beachten und wichtig zu nehmen), und sorgt dafür, die für die therapeutische Arbeit notwendigen Informationen verfügbar zu machen, und zwar in genau demjenigen Moment, wo sie relevant sind. Präzise und gut getimte Zeugenbotschaften sind daher ein wesentliches Mittel, den therapeutischen Prozess in Gang zu bringen bzw. zu halten und stärken zudem ungemein die therapeutische Allianz. Ungenaue, fehlende oder nicht korrigierte falsche Zeugenbotschaften wirken hingegen verlangsamend, verwirrend, und können sich durchaus zu einem Stillstand des Prozesses und zu “Widerstand” aufsummieren. Wegen der besonderen Bedeutung der Zeugenbotschaften habe ich die relevanten Aspekte hierzu im separaten Artikel “Zeugenbotschaften en detail” zusammengefasst (s.u.), zusammen mit Hinweisen dazu, wie die Therapeutin vorgehen kann, wenn sie nicht in der Lage ist, die korrekte Zeugenbotschaft ohne Verzögerung zu formulieren.
Versäumte Stimmen scheinen für die therapeutische Allianz bzw. für die Erzeugung von Widerstand keine vergleichbar wichtige Rolle zu spielen. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass sie im Vergleich zur empathischen Position der Zeugenfigur eher konfrontierenden Charakter haben. Außerdem scheint mir, dass die Therapeutin hier häufiger eine zweite, dritte und vierte Chance bekommt: Im Gegensatz zu “verschwundenen” Gefühlen sind die (außerdem häufiger Ich-syntonen) Stimmen offenbar hartnäckiger; sie kommen wieder und wieder, bis sie endlich benannt und in die Wahre Szene einbezogen werden; allenfalls ist damit ein wenig Zeit verloren. Auch bei einer Situation, wo die Therapeutin die Wahl zwischen einer möglichen Zeugenbotschaft und einer Stimme hat, ist sie daher wohl gut beraten, im Zweifelsfall die erstere zu wählen.
Wirklich gravierende Fehler, die den Prozess aufhalten, kann man bei den Stimmen eigentlich nur dann machen, wenn man einen Teil des Piloten oder gar der Seele als Stimme externalisiert. Obwohl dieser Impuls möglicherweise von der Klientin kommt, vor allem wenn sie Vorerfahrung mit Gestalt-Therapie mitbringt oder es sich um einen unintegrierten Teil ihrer selbst handelt, ist dies eine der Gelegenheiten, wo die Therapeutin der Klientin nicht folgt. Andernfalls handelt sie sich Probleme im weiteren Verlauf der Struktur ein: Erstens würde diese Externalisierung zur Entfremdung der Klientin von ihren Gefühlen beitragen (“Dieser Teil ist da draußen, und ich habe wohl Mitgefühl damit, aber das bin nicht ich.”) und damit ginge eine wichtige Informationsquelle für die Entfaltung des Prozesses verloren. Und zweitens wird die Motivation der Klientin sich dahin richten, dass dieser Teil auf ähnliche Weise versorgt wird, wie es in einer Holes in Roles – Struktur geschieht. Dann aber haben wir eine Antidotszene außerhalb der Klientin: ein Rollenspieler oder Gegenstand, der einen Teil ihrer selbst darstellt, ist Empfänger der Fürsorge der Idealen Figuren, aber die Klientin wird von außen zuschauen und weder Adressat der Sätze der Idealen Figuren sein noch irgendeine körperlicher Erfahrung machen. Nicht, dass ein Widerstand gegen eine Antidot-Szene entstünde; es ist ganz einfach keine Motivation dafür vorhanden, sie selbst zu erfahren.
Ein möglicher Ausweg aus der gelegentlich auftretenden Falle eines “Kampfes der Stimmen” ist die Korrektur der “positiven Stimmen” hin zu positiven Partialfiguren, deren Funktion die Befriedigung eines spezifischen Bedürfnisses ist, und die später die Zeitebene wechseln können und ihre Definition erweitern zu Antidotfiguren. Darüber hinaus sind diese positiven Partialfiguren insgesamt für die Vollständigkeit der Wahren Szene von großer Bedeutung. Mit ihrer Hilfe bleibt die Balance zwischen positiven und negativen Figuren gewahrt, was wieder einer (potentiell Widerstand erzeugenden) negativen Rekonstruktion vorbeugt und dem Übergang zur Antidotszene den Weg bahnt. In neuerer Zeit erzielt Al einen ähnlichen Effekt damit, dass er, wann immer sich dies anbietet, schon einmal Ideen und definierende Elemente für eine mögliche Antidot-Figur in der späteren Struktur einstreut. Wenn er Bedürftigkeit wahrnimmt, formuliert er Sätze wie: “Das könnte heißen, dass wir irgendwann in der Struktur vielleicht eine Figur einführen könnten, die ... <diese Bedürfnisse befriedigen würde>”. Die Reaktion der Klientin hierauf ist ein guter Maßstab für die vorhandene Empfänglichkeit. Manchmal ist auf diese Weise unerwartet schnell ein Schritt zu einer Antidot-Figur möglich, aber auch eine spätere Einführung ist auf diese Weise schon vorbereitet und “gebahnt”.
Besonders wichtig sind diese Interventionen deshalb, weil der Therapeut damit die Bedürfnisse und Sehnsüchte, also die Empfänglichkeit der Seele aufgreift. Wird dies versäumt, so ist die Wirkung ähnlich schwerwiegend wie die falscher Zeugenbotschaften: Der Klient fühlt sich im tiefsten Inneren mit seinen Wachstums- und Heilungsimpulsen im Stich gelassen, und der Therapeut muss möglicherweise in späteren Phasen der Strukturarbeit sehr viel mehr Überzeugungsarbeit leisten, um Antidotfiguren einzuführen und glaubhaft zu gestalten, als es bei einem Aufgreifen dieser Impulse bei ihrem spontanen Auftreten der Fall gewesen wäre. Und dies bringt mich zu einem weiteren Bereich hinderlicher und förderlicher Interventionstechnik:
Timing und Dosierung
Insgesamt wird sich die Therapeutin darum bemühen, Rhythmus und Tempo der Klientin aufnehmen. Beides erzeugt Widerstand: zu langsames Vorgehen, wenn seitens der Klientin sehr viel mehr Motivation und Empfänglichkeit vorhanden wäre, als die Therapeutin dies mit Hilfe von Antidot-Figuren aufgreift, und ebenso zu schnelles Vorgehen, wenn zu schnell, unspezifisch und unvorbereitet Ideale Eltern angeboten werden. Die Klientin wird diese dann entweder überhaupt ablehnen oder sie aus bloßer Compliance annehmen. Die Schwierigkeiten treten dann später auf, wenn die Klientin diese Figuren nicht wirklich für sich glaubhaft gestalten und integrieren kann, oder die Struktur auf einer steril kognitiven Ebene verbleibt. Mit körperlichem Testen lässt sich hier noch einiges reparieren, günstiger ist es jedoch, diesen Widerstand von vorneherein zu vermeiden.
Maßstab für die angebotenen Antidot-Figuren sollte daher immer die Rezeptivität der Klientin sein. Diese Empfänglichkeit kann sich zunächst bloß in der Empörung und dem Schmerz über die historischen Erfahrungen zeigen. Bei genauerer Betrachtung ist nämlich in diesen Empfindungen schon impliziert, dass es anders hätte sein sollen. Wichtig ist, dass die Therapeutin auch diese kleinen Anzeichen schon erkennt und aufgreift, und nicht nur darauf wartet, dass ein deutlicher Wunsch, eine klare Sehnsucht Form annimmt. Andererseits muss das Angebot zum Ausmaß der Rezeptivität passen; ein zu schnelles und stereotypes Anbieten der “elephant pill” (Elefantenpille) der Idealen Eltern schon bei geringer Rezeptivität wird wahrscheinlich abgelehnt und ist in der Gefahr, dieses Konzept in den Augen der Klientin zu entwerten.
Entsprechend der gegebenen Rezeptivität kann man stattdessen die Dosierung der Antidotfiguren variieren. Es besteht ein breites Spektrum von der bloßen Kategorie oder Möglichkeit einer Idealen Figur über deren genauere Definition hin zur bildlichen Vorstellung einer solchen Figur, deren Positionierung und schließlich Besetzung der Rolle mit einem Gegenstand oder einer Person. Auch die genaue Verwandschaftsbeziehung (nicht nur eine schützende Figur, sondern ein schützender Vater) und die Altersstufe bekommt manchmal erst im Verlauf der Struktur genaueres Profil, so wie sich auch die positiven Partialfiguren manchmal über mehrere Zwischenschritte zu Idealen Eltern hinentwickeln. Im Idealfall synchronisiert die Therapeutin diese Dosierung mit dem inneren Prozess des Klienten, und macht die entsprechenden Vorschläge zu dem Zeitpunkt, wo sie mit der Zustimmung der Klientin rechnen kann: “Könnten wir seine Rolle erweitern zu der des Vaters, den du gebraucht hättest?”-”Ja, das habe ich innerlich eigentlich sowieso schon getan.” Häufig lässt sich auch die Altersstufe neben anderen Indikatoren vor allem am Körper (Gesichtsausdruck, Blick, Gesten) ablesen und entsprechend aufgreifen: “Wie alt fühlst Du Dich jetzt im Kontakt mit dieser Figur?” - “Ziemlich klein, vielleicht so drei.” - “Könnten wir dann ihre Rolle erweitern, zu einer schützenden Figur (einem schützenden Vater), so wie du sie (ihn) im Alter von drei Jahren gebraucht hättest?” - “Ja.” Al Pesso beschrieb seine Interventionsweise einmal wie folgt: “Ich mache mir innerlich eine Vorstellung, welche Bahn die Intervention nehmen wird zu ihrem Ziel hin (“a trajectory towards outcome”), und mache dann nur diejenigen Angebote, bei denen ich damit rechnen kann, dass sie angenommen werden.”8 Zweifellos erfordert dies viel Erfahrung, aber diese Intuition, bzw. genauer gesagt dieses Wissen um die relevanten Signale, kann man sich tatsächlich aneignen.
Einhaltung der Schritte Energie-Aktion-Interaktion-Befriedigung-Bedeutung
Ein weiteres wichtiges Element des Timing ist das Angebot angemessener Zwischenschritte. Dies betrifft neben dem beschriebenen allmählichen Sammeln der Mosaiksteinchen zur Definition, Verwandschaftsbeziehung und Zeitstufe der Antidot-Figuren besonders die Körperinterventionen. Selbst ausgebildeten TherapeutInnen ist es meist unmöglich, ohne Exploration der Energie die Frage zu beantworten, welche Interaktion ein bestimmtes Körpergefühl brauche, also den direkten Schritt von der Energie zur Interaktion zu machen. Da es sich bei diesen Empfindungen ja in der Regel um unbewusstes Material handelt (sonst wäre die Energie nicht somatisch “gefroren”), noch dazu in Vermischung mit hemmenden oder selbst-limitierenden Impulsen, ist dieser Schritt meist einfach zu groß. Außerdem führt er in Versuchung, eine Interaktion herzustellen, die diese Körperempfindung “wegmacht”, beispielsweise eine Wärmung oder Massage der schmerzenden Schultern. Auf diese Weise muss jedoch der Prozess stagnieren, weil seine ursprüngliche Antriebskraft durch diese Art Interaktion neutralisiert wird.
Stattdessen ist es unverzichtbar, (gegebenenfalls begleitet von einer theoretischen Erklärung über die Bedeutung von Energie als Zugang zu den Informationen des autobiographischen und/oder genetischen Gedächtnisses) zunächst die Schritte hin zur Aktion zu verfolgen. Dies geschieht mittels der Standardfrage: “Was denken Sie, wie sich Ihr Körper infolge dieses Gefühls bewegen könnte?”, oder mit Hilfe der Intervention “Spannen Sie die Muskeln um die betroffenen Stellen herum an und schauen Sie, wie sich Ihr Körper bewegen würde!” Erst die Aktion erlaubt es Klientin wie Therapeutin, die Form (der Aktion) zu erkennen, zu der die Interaktion dann die Passform bieten soll. Die schmerzenden Schultern weiter anzuspannen (was selbstverständlich nicht das ist, was in diesem Moment als Bedürfnis erlebt wird) öffnet das Bewusstsein für die beispielsweise in dieser Spannung liegende Angst, die sich als Bewegung (sich verbergen, verstecken), Stimme (hoher panischer Ton) oder Erinnerung (an bedrohliche Situationen) äußern kann. Von dieser Aktion aus ist der Schritt zur Interaktion (Containment, Schutz) sehr viel leichter zu vollziehen.
Analoges gilt beispielsweise für den Schritt von der Interaktion zur Bedeutung. Wie wir aus der Übung zur positiven Akkomodation wissen, muss erst die Interaktion genau stimmen in ihren zahlreichen Dimensionen, bevor die Bedeutung empfunden wird. Wird dieser Schritt ausgelassen, wird die Klientin die Bedeutung nicht oder nur ungenau benennen können und an ihrer Glaubhaftigkeit zweifeln. Die Herstellung dieser Stimmigkeit der Interaktion erfordert ein präzises Umgehen mit der Akkomodation (mehr hierzu in einem eigenen Artikel: Akkomodation en detail: Merkmale guter Akkomodation, s.u.) und kann einige Zeit der Exploration und des Testens in Anspruch nehmen. Eventuell zeigt sich dabei die höchste Energie in weiteren Körperteilen und muss dort ebenfalls akkomodiert werden, nötigenfalls mit Hilfe von Erweiterungsfiguren. Wenn auf diese Weise der Zwischenschritt sichergestellt ist, dass zuerst die Interaktion wirklich zur vollständigen Befriedigung geschieht, wird der nächste Schritt hin zur Bedeutung in den allermeisten Fällen spontan vollzogen. Dann kann man ohne weiteres die Klientin fragen: “Wie fühlt sich das an? Was bedeutet dieser Kontakt?”. Ihre Antwort erfolgt dann fast immer ohne jedes Zögern und in tiefer, auch körperlich sichtbarer Überzeugung: “Ich fühle mich vollständig geborgen und sicher”. Dieser Satz kann dann im Wortlaut den Rollenspielern als Text weitergeben werden: “Wenn wir (damals) da gewesen wären, hättest du dich so vollständig geborgen und sicher fühlen können, wie du dies jetzt erfährst”.
Ein Wort gegen den Perfektionismus
Bevor ich nun nach all diesen Ausführungen zum Umgang mit “Widerstand” im engeren Sinne komme, noch ein ein paar Bemerkungen zur Einordnung des Vorangegangenen. So faszinierend es ist zu sehen, wie reibungslos eine gelungene Strukturarbeit verlaufen kann - an dem vorangehend dargestellten Ideal werden wir alle unweigerlich immer wieder scheitern, indem wir ungenau, verspätet oder falsch intervenieren. Das kann leicht entmutigend wirken und einen daran zweifeln lassen, ob man sich für diese Methode geeignet fühlen soll: All das, was bei der Beobachtung der Trainer bei den Demo-Strukturen im Rahmen der Ausbildung so leicht und selbstverständlich aussieht, will einem selbst in den ersten Jahren der Ausbildung so gar nicht gelingen. Und so stoßen wir in unserer eigenen Arbeit immer wieder auf Probleme und Widerstände, die wir in der Ausbildung so nie gesehen haben, weil unsere Vorbilder ihnen vorzubeugen wissen. Dies bemerken wir als Zuschauer meistens nicht einmal, und vermutlich ist ihnen selbst vieles davon gar nicht mehr bewusst, auf dem Hintergrund jahrzehntelanger, schon zu Intuition geronnener Erfahrung, vor langer Zeit – auch und nicht zuletzt aus Fehlern – gelernt.
Dies ist ein starkes Argument dafür, die Live-Arbeit in Intervisions- und Supervisionsgruppen als ein wesentliches, ja beinahe unersetzliches Element der Ausbildung zu betrachten. In dieser Hinsicht können wir nämlich gegenseitig von unseren Unvollkommenheiten sehr viel mehr lernen als von perfekten Modellen:
Eine Ausbildungskollegin wird sich mit größerer Wahrscheinlichkeit in ähnliche Probleme hineinmanövrieren, wie es mir selbst passiert. Mit Hilfe der Kollegen, der Rückmeldung der Klientin oder des Inputs einer Supervisorin besteht die Chance, die hierfür entscheidenden Weichenstellungen zu entdecken – und sich dessen bewusst zu werden, dass hier überhaupt eine Weiche ist!
Ich kann Alternativen hierzu entwickeln und ausprobieren. Im geschützten Rahmen der Supervisionsgruppe sind hierfür sogar mehrere Anläufe möglich oder das Durchspielen verschiedener Varianten.
Manchmal ist es leichter, von jemandem zu lernen, der in dem einen oder anderen Bereich gerade mal ein oder zwei Schritte weiter ist und damit innerhalb meiner Reichweite, als von einem unerreichbaren Vorbild.
Viele lernen leichter, wenn zusehen können, wie jemand anderes ihre eigenen Fehler macht. Sie stehen dann selbst nicht unter dem Druck, die einzelnen Entscheidungen treffen oder Hinweise umsetzen zu müssen und sich dabei beobachtet oder gar bewertet zu fühlen, und können die Informationen besser verarbeiten.
Und selbst als Klientin einer suboptimal verlaufenen Struktur kann ich Entscheidendes lernen, weil ich am eigenen Leib erfahren habe, wie sich ein bestimmter Interventionsfehler anfühlt.
Wenn wir die Supervisionsgruppen also mit Vertrauen, Humor und Dankbarkeit als ein unersetzliches Lernlaboratorium betrachten und gestalten und nicht als Prüfungsort, können sie unschätzbare Dienste leisten.
Und auch in der Arbeit mit Klienten ist es zwar wünschenswert, aber nicht unverzichtbar, ohne jegliche Umwege vorgehen zu können. Erfahrungsgemäß haben die Klienten auch von den unvollkommenen “Anfängerstrukturen” schon großen Gewinn, was ein weiterer Beleg für die Qualität der Methode ist, falls es eines solchen noch bedarf. Und ähnlich wie Kinder ihren Eltern eine Menge verzeihen, so sind auch Klienten in gewisser Hinsicht sehr geduldig: Wenn die grundsätzliche Wertschätzung und Vertrauensbasis stimmt, und wenn die Therapeutin dafür offen bleibt, sich an den Reaktionen der Klientin zu korrigieren, dann findet der Prozess ungeachtet der “Fehler” seinen Weg, vielleicht auf mancherlei Umwegen, die man im Rückblick hätte einsparen können, aber dennoch mit großer Kreativität und Hartnäckigkeit. Wenn diese grundlegende Offenheit der Therapeutin gegeben ist, und Wachsamkeit für die höchste Energie, dann gibt es fast immer eine zweite, dritte, sogar vierte Chance; eine Stimme taucht nach einer thematischen Schleife erneut auf, eine weitere Szene zur selben Thematik wird erinnert, ein bisher nicht aufgegriffenes Gefühl drückt sich in einer Körperbewegung aus, etc.. Vielleicht kommt die Struktur nicht zu einer alle Elemente umfassenden Abrundung, aber doch so gut wie immer zu einem guten Abschluss, der die Klientin ein Stück weiterbringt. Und es ist auch erstaunlich gut möglich, nach zusätzlichem Input aus einer Supervision die fehlenden Elemente in einer Folgesitzung oder späteren Mini-Struktur nachzutragen.
Um auch hier die Metaphern des Segelns zu bemühen: Ziel des Lernens ist nicht, krampfhaft das Ruder zu umklammern, um ungeachtet von Wellen, Windwechseln und Strömungen auch ja kein Jota vom Kurs abzukommen. Es reicht, die Peilung im Blick zu behalten, in unserem Fall die Klientin, und den Kurs immer wieder darauf hin zu korrigieren, nötigenfalls mit ein, zwei zusätzlichen Wenden. Mit zunehmender Erfahrung werden die Ausschläge nach der einen oder anderen Seite immer geringer, bis man schließlich schon einen kleinen Wechsel des Winddrucks im Segel an der Bewegung des Schiffsrumpfes und am veränderten Druck an der Hand spürt und beinahe unwillkürlich darauf reagiert. Und dann macht das Segeln erst so richtig Spaß, in beinahe spielerischer Verbundenheit mit den Elementen, im “Flow” wird das, was vorher so mühevolle Arbeit schien, einfach, leicht und lustvoll.
3. Innere Widersprüche der Genesungsarbeit:
Widerstand im engeren Sinn
wird grundsätzlich in die Gestaltung der Struktur-Szene eingebaut
Schicht 1: Defizite in den Grundbedürfnissen
vgl. altes Konzept des Crossfire
Stimme der Wahrheit, der negativen Vorhersage, Überlebensstrategie (passiv aggressive Muster)
Übertragung
negativ (Therapeut als Teil der Old Map) > Figur des negativen Therapeuten
positiv (Testen des Therapeuten als Vorläufer des Antidots) > Antidotfiguren
Omnipotenz
Grenzenlosigkeit unerfüllter Grundbedürfnisse: ich bin zu hungrig, schwer, verletzlich, aggressiv, platzergreifend,... niemand kann damit umgehen > Stimme / Akkomodation und Testen
Magisch Omnipotente Innere Mutter/Vater: Niemand sorgt so gut und zuverlässig für mich wie ich selbst > Stimme / Akkomodation und Testen
sekundärer Krankheitsgewinn > Kontrakt
Schicht 2: Trauma
Angst vor Kontrollverlust, Verlust des Piloten > Kontrakt, Checken, kein Pushen
Angst vor erneuter Überflutung > Containment, positive Fragment-Figuren
Angst
vor (und Provokation von) erneuter Penetration > Schutz,
Limitierung der Vulnerabilität
countercock: Power und
Penetration als Abwehr der Verletzlichkeit und umgekehrt >
Validierung / Limitierung
Schicht 3: Holes in Roles
Bedürfnisse der anderen gehen vor; Fähigkeit zu empfangen geht verloren, Entität
Therapeutenfresser
> Interventionsstrategie, bei Widerstand auf die Ebene “Füllen der Löcher” zu wechseln
negative Rekonstruktion
soweit nicht auf Interventionsfehler (Übergewicht der negativen Stimmen, , der historischen Szene (negative Figuren), oder verpasste Empfänglichkeit) zurückzuführen:
Betriebsblindheit: Über das Vertraute hinaus nichts vorstellbar; Elemente der historischen Konfiguration in der Antidotszene noch nicht korrigiert
“pain eater”, Schmerz als Ersatzbefriedigung für unerfüllte Grundbedürfnisse
Selbstbestrafung für Closure und Lust (Entität)
Zeugenbotschaften en detail
von Barbara Fischer-Bartelmann
Wie im Artikel “Widerstand in der Pesso-Therapie” dargestellt, sind die Zeugenbotschaften besonders wichtig, um den therapeutischen Prozess in Gang zu halten und die therapeutische Allianz zu festigen. Nicht immer haben wir als Therapeuten aber sofort das richtige Gefühlswort parat, wir sind unsicher über den relevanten Kontext oder stehen vor der Frage, welche der im schnellen Wechsel sich zeigenden oder sogar vermischten Gefühle wir aufgreifen sollen.
Emotion und Timing
Was tun, wenn wir das richtige Emotionswort nicht schnell genug finden können? Grundsätzlich ist es im Zweifelsfall vorzuziehen, lieber zum richtigen Zeitpunkt mit einer Frage (“Was geschieht gerade?”), einer ungenauen Zeugenbotschaft oder gar einem Lückentext (“Wenn ein Zeuge hier wäre, würde er sehen, wie ... - wie würden Sie dieses Gefühl nennen?”) zu intervenieren, und diese dann in Zusammenarbeit mit der Klientin zu verfeinern, als aus Unsicherheit die Intervention ganz zu unterlassen oder den passenden Moment hierfür verstreichen zu lassen. Selbstverständlich wird die Therapeutin dann nicht mit einer Zustimmung rechnen. Trotzdem ist eine solche wissentlich unpassende Zeugenbotschaft (selbstverständlich in Kombination mit einer Frage als Ausdruck der Korrekturbereitschaft bzw. -notwendigkeit) der therapeutischen Beziehung in der Regel nicht abträglich: Die Klientin weiß das Bemühen der Therapeutin um die genaue Abbildung ihres Zustandes meist durchaus zu würdigen. Sie wird darauf aufmerksam, dass in eben diesem Moment eine Gefühlsregung da ist, und kann sich aktiv an der Suche nach dem passenden Wort beiteiligen.
Unterbleibt hingegen die Zeugenbotschaft, so wirkt dies verhaltenstherapeutisch gesehen wie eine Löschung. Die Emotion, die sich sozusagen vorsichtig in die Nähe der Oberfläche des Bewusstseins gewagt hat, taucht wieder weg, manchmal auf Nimmerwiedersehen, wobei eine winzige vage Enttäuschung des Nicht-Gesehen-Seins, ein Verlust an Motivation und an therapeutischer Allianz verbleibt.
Eine verspätete (und dann noch so genaue) Zeugenbotschaft hingegen verpasst diesen Moment des Auftauchens des Gefühls. Sie hätte vielleicht damals zugetroffen, aber da der Augenblick des emotionalen Zustands verstrichen ist, kann die Klientin sich jetzt nicht mehr darin wiedererkennen. Sie fühlt sich dadurch also ebenfalls nicht gesehen. Selbst wenn sie versucht, die Emotion willkürlich wieder zu erinnern, ist das selten in derselben Lebhaftigkeit möglich. Die Zeugenbotschaft richtet sich dann auf einen erinnerten Zustand, nicht auf den momentanen, sozusagen auf eine Konserve statt auf das Lebendige. Sie führt daher nicht zum Zentrum der Wahrheit und zum Kontakt mit dem Wahren Selbst. Außerdem wird die Klientin in ihren Rhythmus unterbrochen, also erneut nicht in dem gesehen, worauf sich ihr Bewusstsein nun gerichtet hat. Im Zweifelsfall ist es daher ratsam, wenn die Therapeutin sich vom Nachdenken über eine verpasste Zeugenbotschaft löst und wieder in den tranceähnlichen Zustand des Kontaktes mit der Klientin im momentanen, lebendigen Augenblick zurückkehrt, und ihren Prozess so weiter in seiner Eigendynamik begleitet und unterstützt.
Korrektur von Zeugenbotschaften:
Unbedingt zu vermeiden ist selbstredend eine falsche Zeugenbotschaft ohne Checken oder gar ein Beharren darauf ohne Korrekturbereitschaft. Es würde die Funktion des Zeugens in sein Gegenteil verkehren, wenn dieser dazu benutzt würde, der Klientin eine ihr fremde Beschreibung ihrer Gefühle aufzudrücken oder eine Diskussion darüber zu beginnen, und entweder zu einer angepassten Klientin ohne Zugang zu ihrem Zentrum der Wahrheit oder aber direkt zu Widerstand führen. Eine Zeugenbotschaft ist dann richtig, wenn die Klientin sich darin erkennt, und dann falsch, wenn dies nicht der Fall ist, und Punkt, sonst ist es per definitionem keine Zeugenfigur. Die Passform der Benennung hat sich der Form der Gefühle anzupassen und niemals umgekehrt. Ein Nichterkennen einer Zeugenbotschaft ist ausschließlich ein Grund, sie entweder im Dienste des Fortgangs des Prozesses einfach fallen zu lassen wie eine falsche Hypothese, oder Anlass zur Korrektur.
Gefühl
Zunächst kann es sein, dass der gewählte Gefühlsausdruck korrigiert werden muss. Möglicherweise stimmte die Qualität, nicht aber die Intensität, und man muss nach einem stärkeren oder schwächeren Wort suchen bzw. als Behelf den Ausdruck mit Zusätzen wie “ein wenig” oder “extrem” moderieren. Es kann aber auch sein, dass man mit der Gefühlsqualität daneben lag; sei es, dass man zu stark den Worten der Klientin folgte und das bezeugte, was sie mit Worten sagte (und in diesem Fall meist vom Kopf her auch bejahen wird), nicht aber möglicherweise widersprechende nonverbale Signale beachtet hat, oder sei es, dass einem die ensprechende Qualität (oder auch Intensität) selbst nicht zugänglich ist, was schwer zu korrigieren und eher ein Thema für die eigene Selbsterfahrung sein wird. Häufig wird die Therapeutin selbst diese Fehler nicht bemerken, das Fehlen der entsprechenden Informationen wird aber den Fortlauf der Struktur beeinträchtigen, indem beispielsweise die ambivalente Ladung eines Objektes übersehen wird, das eigentlich in negativen vs. geliebten Aspekt polarisiert werden müsste, oder ein Anteil einer Entität. Manchmal hat die Therapeutin auch die Qualität korrekt wahrgenommen, aber diese ist vermischt mit einer anderen, zunächst übersehenen oder unterschätzten anderen Emotion, die für die Klientin vorrangig ist und “höhere Energie” hat, beispielsweise der Schmerz hinter der Schutzfassade des Amusements. Hier ist die Moderation “wie ... ein Teil von Dir sich fühlt, und wie ... ein anderer” angebracht. Besonders im Falle einer Mischung von Schmerz (Seele) und Amüsement / Zynismus (Entität) ist diese Einschränkung immer angebracht.
Kontext
Manchmal bleibt das Wiedererkennen durch die Klientin auch aus, solange der Kontext des Gefühls nicht oder nicht richtig benannt wird. Eine ähnlich unterbrechende und entfremdende Wirkung wie eine verspätete oder falsche Zeugenbotschaft hat nämlich ein falscher Kontext. Werden hier nicht die exakten Worte der Klientin gewählt, so ist sie gezwungen, einen Teil ihrer Aufmerksamkeit von ihrem inneren Prozess und dessen Spiegelung in der Zeugenbotschaft abzuziehen. Statt in ihrer eigenen Welt bleiben zu können, muss sie eine Abgleichung zwischen ihren eigenen Worten und denen der Therapeutin vornehmen, samt einer Einschätzung, ob die Übereinstimmung zwischen “Originaltext” und “Übersetzung” ausreichend groß ist oder einer Korrektur bedarf.
Um dies zu vermeiden sollte daher die Therapeutin der Versuchung zu widerstehen, in den Kontext der Zeugenbotschaft andere Informationen, Deutungen, Zusammenhänge einzubauen. Das Risiko, damit den Prozess zu hindern, ist größer als der vermeintliche Gewinn. Wenn die Therapeutin zusätzlichen Input geben möchte, ist es ein klarerer Weg, dies in einer eigenen Intervention zu erledigen, als auf dem “Schmuggelpfad” des Zeugenkontextes.
Auch hier kann man sich im Notfall, wenn man sich an die exakten Worte nicht mehr erinnern kann, damit behelfen, die Klientin direkt um Mithilfe zu bitten (“Der Zeuge würde sagen: Ich sehe, wie beklommen du dich fühlst, wenn ... wie waren Ihre genauen Worte?”), oder ein zusammenfassendes Wort zu verwenden (“... bei dieser Vorstellung.”). Falls der Klientin die genaue Formulierung wichtig ist, wird sie diese häufig von sich aus wiederholen, so dass wir die Chance eines zweiten Anlaufs bekommen und die zweite Hälfte der Zeugenbotschaft nachliefern können “...beklommen bei der Vorstellung, deinen Vorgesetzten ungefragt auf dieses Problem anzusprechen.”
Zuordnung von Gefühl und Kontext
Selbst bei der richtigen Wahl sowohl des Gefühlswortes als auch der exakten Worten der Klientin kann die Zustimmung ausbleiben, wenn deren gegenseitige Zuordnung nicht stimmt. Dies lässt sich am besten an einem Beispiel erklären. “Ich sehe, wie stolz du darüber bist, dass du dich das früher nicht getraut hättest” ist mit großer Wahrscheinlichkeit falsch, “stolz bei der Erinnerung...” schon ein wenig besser. Zutreffend wird die Zeugenbotschaft erst bei der genauen Einordnung: “Ich sehe, wie stolz du auf deine Fortschritte bist, wenn du dich daran erinnerst, dass du dich das früher nicht getraut hättest” Die genauen Worte der Klientin müssen also zusätzlich mit präziser Sprache richtig in den wörtlich zitierten Kontext eingeordnet werden.
Häufig betrifft diese notwendige Einordnung “Meta-Emotionen”, wie ich sie nennen möchte, also die Bewertung und Einordnung einer bestimmten Emotion durch den Piloten – und beides kann durchaus entgegengesetzt sein: Bedauern, sich nicht mitfreuen zu können, Erleichterung, den Schmerz spüren zu können, Trauer über den Kontrast der im Antidot erlebten Befriedigung mit deren Fehlen in der Lebensgeschichte. Greifen wir nur einen der beiden Aspekte heraus, so wird sich die Klientin nicht verstanden fühlen. Außerdem besteht bei der einseitigen Wahl beispielsweise des Gefühls der Trauer die Gefahr, die bereits entwickelten und glaubhaften Antidotelemente wieder zu verlieren und in die Historische Szene zurückzugehen, statt im Antidot zu verbleiben und im Kontakt mit den Idealen Figuren diesen rückblickenden Schmerz auf- und abebben zu lassen.
Eine weitere mögliche Erklärung für ausbleibende Zustimmung trotz Zutreffen von Emotion und Wortlaut ist, dass wir bei der oft unvermeidlichen Auswahl der Kontextbeschreibung eventuell nicht die höchste Energie erkannt haben: “... und dass ich heute überhaupt keine Angst mehr habe!”, was man ebenso wie den Kontext einfach ergänzend wiederholen kann “... und dass du heute überhaupt keine Angst mehr hast!”. Hilfreich für die Therapeutin (und von der Menge an ungefilterten Information entlastend) kann es sein, schon beim Zuhören die Unterstreichung bestimmter Worte durch paraverbale Betonung oder nonverbale Gesten als Hinweis auf die höchste Energie zu verwenden, und sich für den Kontext der Zeugenbotschaft von vorneherein vorrangig die betreffenden Worte einzuprägen. Evtl. kann die Zeugenfigur, so sie mit einem Rollenspieler besetzt ist, die ensprechende unterstreichende Geste ebenfalls wiedergeben, ebenso wie die Betonung. Wenn die Zeugenfigur nur imaginiert ist, kann auch die Therapeutin in dem von ihr selbst ausgesprochenen Kontextsatz die Betonung verwenden; Gesten nur unter dem Vorbehalt, dass sie evtl. dazu führen könnten, dass sie selbst wieder “zum Zeugen wird”.
Gemischte Gefühle
Eine besondere Herausforderung stellen die Zeugenbotschaften bei gemischten, widersprüchlichen oder ambivalenten Gefühlszuständen dar. Diese nämlich einfach nur als “...wie widersprüchlich deine Gefühle sind” zu bezeugen, bringt keine Klärung; wirklich gefühlt wird ja nicht so sehr die Ambivalenz als deren Komponenten. Es wird daher meist mehr bringen, entweder die Komponenten je einzeln zu beschreiben: “... wie .... ein Teil von dir ist, wie ... ein anderer Teil”, falls möglich mit unterschiedlichen Kontexten, oder selektiv zu sein.
Bei der Entscheidung über die zu treffende Auswahl kann es helfen, sich zu fragen, wo die Quelle der einzelnen Komponenten liegt. Die Gefühlsqualität einer Entität “... wie triumphierend, unabhängig, bedürfnislos ...” wird wenn irgend möglich immer mit der Qualifizierung “... sich ein Teil von Dir fühlt” versehen, um dieses Gefühl zwar zu würdigen und adäquat abzubilden, andereseits aber die Möglichkeit offenzuhalten, dass die Seele ganz anders empfindet. Wenn die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten getroffen werden muss, so ist bei den Zeugenbotschaften im Zweifelsfall der Seele der Vorrang zu geben vor der Entität, dem Piloten vor der Regression und der Rezeptivität vor dem Schmerz. Zwar wäre die Alternative nicht in dem Sinne ein Fehler, dass sich die Klientin darin nicht gesehen fühlen würde. Doch führt die beschriebene Selektion den Prozess stärker zu einer Lösung hin, und beugt auf diese Weise einem Übergewicht der Historischen Szene mit ihren negativen Gefühlen vor und vermeidet so eine negative Rekonstruktion mit den daraus möglicherweise entstehenden Widerständen.
Akkomodation en detail: Merkmale guter Akkomodation
von Barbara Fischer-Bartelmann
Validierung des Impulses:
Wird der Impuls grundsätzlich bejaht und in gute, befriedigende Interaktion gebracht?
Wird er nicht beschwichtigt, umgelenkt, der Charakter der Aktion verändert?
höchste Energie:
Hat die stärkste Bewegung des Körpers Kontakt, ist in Interaktion, wird akkomodiert?
hier können schnelle Anpassungen notwendig sein, d.h. ein guter Kontakt Th-Akkomodatoren
Positionierung:
Passt die Position der Figur zu ihrer Funktion (vor-neben-hinter Protagonist, Abstand, Höhe)?
Passt die Richtung ihres Blickes (z.B. Zeuge muss den Kl. sehen, Schutzfigur den Aggressor)?
Passt ihr Verhältnis zu anderen Figuren (z.B. der Idealen Eltern zueinander: Höhe, Nähe)?
Bewegung:
Intensität:
Ist die Bewegung (der Halt, Druck...) stark genug als Passform der
Aktion?
Oder gibt es Anzeichen der Selbst-Limitierung?
Initiative: Re-agiert der Akkomodator auf den Protagonisten, oder kommt er ihm zuvor / überwältigt ihn
Richtung: Passt die Richtung, in die der Akkommodator hält, zur Bewegungsrichtung?
Timing: Zu früh oder zu spät? Nicht über die Aktion des Protagonisten hinaus?
Bei negativer Akkomodation: Zeigt der Akkommodator, dass die Aktion „das Ziel erreicht“?
Ort: Zeigt der Akkommodator ausreichend klar, wo auf seinen Körper der Schlag „traf“?
Richtung: Passt die Richtung, in die der Akkommodator fällt, zur Erwartung?
Resultat, Effekt: Bleibt der Akkommodator lange genug in der „verwundeten“ Position, bis die zentrale Person das Resultat ihrer Aktion gesehen hat / anzeigt, dass er zurückkommen darf?
Stimme (auf Anzeichen der Selbst-Limitierung achten!):
laute Töne des Protagonisten brauchen auch eine akustische Passform (sonst Omnipotenz)
Ausdruck: Passt der Ton zu Definition und Charakter der Figur (z.B. limitierend)?
Speziell bei negativer Akkomodation:
Lautstärke: Ist der Ton zu leise oder zu laut, passt er zur Erwartung? Passt er im Charakter?
Ausdruck: nehmen Sie Kränkung oder Protest von Seiten des Akkommodators wahr?
Timing: Als genauer Effekt der Aktion oder zu früh/zu spät?
Initiative:
Re-agiert der Akkomodator auf
den Protagonisten, oder kommt er ihm zuvor?
Überwältigt
er ihn / feuert ihn an? (limitierende Figuren)
Nonverbaler Ausdruck:
Passen Gesichtsausdruck, Blick, Körperhaltung, Spannung etc. zu den übrigen “Botschaften”?
Kann der Akkomodator seine Funktion mit Ruhe und Sicherheit und ohne übermäßige Anstrengung erfüllen, oder sind zusätzliche Anleitung, eine Positionsänderung oder Erweiterungsfiguren notwendig?
Kontrakt:
Zeigen die Rollenspieler auch in der Art wie sie schauen und sich verhalten ganz klar, dass sie verfügbar sind?
Sorgen sie gut für sich?
Warten sie auf Anweisungen des
Klienten bzw. des Therapeuten,
anstatt ihr eigenes Bedüfnis,
zu geben (oder zu bekommen), auszuagieren?
Stop-Kontrakt bei Limitierung (Protagonist/Akkomodatoren/Therapeut ⇒ dann besser arrangieren)
Blickkontakt mit dem Therapeuten, Validierung, Dank bei der Entrollung
Anmerkungen:
1Auch zur Arbeitsweise Bert Hellingers, der die Arbeit mit den Löchern im Beziehungsgefüge auf den ersten Blick zu ähneln scheint, besteht hier und im Verständnis von Widerstand ein grundlegender Unterschied.
2Lowijs Perquin: On Contract and Motivation
3eine genaue Beschreibung dieser Beobachtungen findet sich in Michael Bachg:
4private communication
5private communication
6Albert Pesso: Stages and Screens (Die Bühnen des Bewusstseins) In: Bulletin Nr. *
7Leonhard Schrenker und Barbara Fischer-Bartelmann: Form-Passform
8private communication